Wo liegen die Trends beim Familienleben in Deutschland und in welchen Bereichen sollten die familienpolitischen Leistungen weiterentwickelt werden? Früher war vermeintlich alles einfacher. Die Frau kümmerte sich um Kinder und Haushalt, der Mann ging fürs Familieneinkommen arbeiten und sorgte für den finanziellen Rahmen der Familie. Doch diese klare Trennung der Zuständigkeiten bricht immer weiter auf und unterliegt einem stetigen Wandel, wie die zweite Weichenstellungsstudie vom Institut für Demoskopie Allensbach ermittelt hat. Bei der Studie, die unter anderem die Basis für das Familienbarometer bildet, handelt es sich um eine Repräsentativbefragung von 1.189 Müttern und Vätern, die in Paarbeziehungen leben und Kinder unter 16 Jahren haben. Weiterhin liegen repräsentative Allensbach-Umfragen dem Familienbarometer zugrunde, die in den vergangenen Wochen bereits durchgeführt worden sind.
Partnerschaftliche Aufteilung von Beruf und Familie wird gewünscht
Für das Familienbarometer, welches Bundesfamilienministerin Lisa Paus in dieser Woche vorgestellt hat, galt es herauszufinden, wie die Aufgabenverteilung von Beruf und Familie innerhalb der Umfragegruppe aussieht. Die Berufstätigkeit von Müttern und deren Arbeitsumfang nimmt seit längerem immer weiter zu. Deutlich wird durch die Studie, dass vor allem Müttern in Teilzeitbeschäftigungen angestellt sind, weil sie einen Großteil der Carearbeit innerhalb der Familie leisten.
Aufgabenverteilung innerhalb der Familie
Vor der Geburt der Kinder sind beide Partner in der Regel voll berufstätig. Das ändert sich ab der Geburt des ersten Kindes. Die Studie zeigt auf, dass bereits mit dem ersten Kind die Weichen für die Aufgabenverteilung von Erwerbs- und Familienarbeit gestellt werden. Der Wunsch (etwa 46% der Eltern gab dies in der Studie an) nach partnerschaftlicher Aufteilung von Kinderbetreuung, Haushalt und Erwerbsarbeit ist vorhanden, lässt sich aber in vielen Familien nicht umsetzen. Dass diese Entscheidung, dass die Frau in der Regel eine längere Elternzeit nimmt und anschließend mehrheitlich in Teilzeit in den Beruf zurückkehrt und dies somit Auswirkungen auf ihre Erwerbsbiografie hat, scheint vielen der Befragten nicht bewusst zu sein.
Elternschaft in Krisenzeiten
Deutlich wird zudem aus der Studie, dass Familien unter Druck stehen. Die hohe Inflation und die zuvor durchlaufenen Coronajahre stellten und stellen für Familien besondere Herausforderungen dar. Dies hat Auswirkungen auf die eigene Einschätzung der wirtschaftlichen Lage von Eltern. Nur noch 43% der befragten Eltern bewerten ihre Lage als positiv. In Sorge wegen der hohen Inflation sind zudem 93% der Befragten.
Erwartungen von Familien an den Sozialstaat
Klar wird zudem, dass eine Erwartungshaltung seitens der Familien an den Sozialstaat gestellt wird. Materielle Ungerechtigkeit soll entgegengewirkt werden, damit Kinder aus allen Schichten der Bevölkerung gute Startchancen haben. Staatliche Entlastungsleistungen, die Familien in den vergangenen Jahren erhalten haben, werden als hilfreich bewertet. Die Einführung der Kindergrundsicherung wird als eine Sicherheit und Stabilität bringende Maßnahme bewertet. Bis zu 75% der befragten Eltern befürworten die Einführung der Kindergrundsicherung.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus sagt: „Das Familienbarometer macht deutlich: Mit Familienpolitik können wir Zusammenhalt und Resilienz unserer Gesellschaft stärken. Dafür müssen wir die Rahmenbedingungen für Familien so gestalten, dass sie zu den Bedürfnissen von Familien passen – gerade in Krisen. Das Familienbarometer gibt dafür zuverlässig Orientierung. Ich sehe es als eine der Kernaufgaben des Staates, Sicherheit zu schaffen – erst recht in Zeiten, in denen sich Menschen um ihre Zukunft sorgen. Deshalb hat vor allem die Umsetzung der Kindergrundsicherung Priorität für mich. Denn mit der Kindergrundsicherung können wir ein Sicherheitsnetz schaffen. Nach der Geburt des ersten Kindes stellen Eltern zentrale Weichen bei der Aufgabenteilung zwischen Familie und Beruf. Die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit aber ist dabei in vielen Familien groß. Mit einer Elternstartzeit schaffen wir nun auch einen Schutz- und Schonraum für die erste intensive Phase mit einem neugeborenen Kind, stärken den familiären Zusammenhalt und setzen einen wichtigen Impuls für partnerschaftliche Aufgabenteilung in Familien.“
Partnerschaftliche Aufteilung führt zu mehr Zufriedenheit
56% der befragten Eltern mit Kindern unter 6 Jahren erwarten, dass die Familienpolitik Eltern bei einer gleichmäßigen Aufteilung von Kinderbetreuung und Beruf unterstützt. Wer Beruf und Familie gut miteinander vereinbaren kann, kann auch die Carearbeit besser untereinander aufteilen, was langfristig zu einem besseren Familienklima führt. Die Befragungen haben ergeben, dass Elternpaare, die ihre Aufgaben in Beruf und Familie gleichgewichtig teilen, häufiger als andere Paarfamilien über ein gutes Familienklima berichten sowie enge Beziehungen zwischen Eltern und Kindern und besonders über gegenseitige Unterstützung der Elternteile (84% gegenüber 63%).
Vereinbarkeit von Beruf und Familie als Wirtschaftsmotor
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und dabei eine gleichberechtigte partnerschaftliche Aufteilung kann also zu einer wirtschaftlichen Stabilität beider Elternteile führen und zudem auch eine Antwortoption auf den Fachkräftemangel sein. Denn, wenn Mütter mehr Spielraum haben, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen bzw. auszubauen, weil Väter mehr Aufgaben innerhalb der Familie übernehmen, werden Erwerbstätigkeit und -umfänge von Müttern weiter zunehmen.
Vereinbarkeit von Beruf und Pflege
Aber nicht nur im Bereich der Kinderbetreuung und der Erwerbsarbeit spielt das Thema Vereinbarkeit eine Rolle, sondern auch im Bereich der Pflege von Angehörigen. Anhand der Ergebnisse der Befragungen ist abzulesen, dass zwei Drittel der Bevölkerung sich grundsätzlich vorstellen könnte, selbst die Verantwortung der Pflege ihrer Angehörigen zu übernehmen. 75% der Befragten wünscht sich zudem eine Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige, welche durch eine Reform der Familienpflegezeit erreicht werden könnte.